MS „MELANIE SCHULTE“
Kein anderes Schiff erlangte in der Emder Schifffahrtsszene eine größere Bekanntheit als die „MELANIE SCHULTE“. Es war allerdings eine traurige Bekanntheit, die dem Schiff anhing – sie ging auf das fast spurlose Verschwinden des Schiffes zurück. Die „MELANIE“ verschwand auf ihrer zweiten Reise von Narvik nach Mobile zwei Tage vor Weihnachten 1952 nördlich der Hebriden im Atlantik. Es gab keine Überlebenden.
Die technischen Daten:
DICR, 6367 BRT / 9915 tdw, 136,00 x 17,67 x 7,57 / 8,66 / 10,96 m. 1 MAN – Sechszylinder – Zweitakt – Dieselmotor mit 4000 PSe. Geschwindigkeit 13,5 Knoten. Bauwerft Nordseewerke GmbH Emden, Baunummer 251, Frachter des Typs „Emden – Klasse“. Auftraggeber Reederei Schulte & Bruns, Hamburg.
© Archiv der Reederei Schulte & Bruns
Der Stapellauf
am 08.09.1952 misslang. Das Schiff blieb auf dem Ablaufhelgen stecken. Erst viele Stunden später gelang es, die „MELANIE“ zu Wasser zu bringen. Unter den abergläubischen Seeleuten galt das als schlechtes Omen.
© Archiv der Nordseewerke
Das fertige Schiff
In der folgenden Galerie wird eine Auswahl von Innenaufnahmen der „MELANIE SCHULTE“ gezeigt. Gediegene Einrichtung im Stil der Zeit. Besonders beachtenswert: der offene Kamin im Salon – ob der wohl jemals in Betrieb war ?
© Archiv der Reederei Schulte & Bruns
Ein Schwesterschiff
© Seehafen Verlag Erik Blumenfeld
Die Probe – und Übergabefahrt
fand am 08.11.1952 unter reger Beachtung der Presse statt. Einige prominente Personen aus der Emder Geschäftswelt waren bei diesem Ereignis zu Gast.
© Archiv der Reederei Schulte & Bruns
Das Unglück
Am 17.12. 1952 ab Narvik mit Eisenerz für Mobile. Am 21.12. 1952 letzte Funkmeldung etwa 90 Meilen westlich der Hebriden. Gemeldet wurde eine Wetterverschlechterung. Seitdem ist das Schiff verschollen. Die Suche in der Nähe stehender Schiffe, der Royal Navy und der Luftwaffe blieben erfolglos. Am 17.02.1953 wurde ein Rettungsring des Schiffes sowie andere Wrackteile bei Benbecula Island an der Schottischen Westküste angetrieben.
Quelle: Wikipedia
Nach dem Unglück
Im Emder Seemannsheim ist eine kleine Kapelle eingerichtet. Es ist ein ruhiger Ort, an dem Ereignissen gedacht werden kann, die mit Unglücken bei der Seefahrt zu tun haben. Dort hängt auch der Rettungsring der „MELANIE SCHULTE“, der am 17.02.1953 an der Küste der äußeren Hebriden-Insel Benbecula gefunden wurde. Er hängt jetzt am richtigen Ort.
© Peter Nauschütt
Die Liste der auf See gebliebenen hängt ebenfalls in der Seemannsheim-Kapelle. Es sind ausnahmslos deutsche Seeleute gewesen, die mit der „MELANIE“ untergingen. Alles norddeutsche, viele Ostfriesen darunter. Viele Familien verloren ihre Ehemänner, Väter, Söhne und Geschwister. Der älteste war der Chief Wilhelm Finkenhausen mit 50 Jahren, der Jüngste war der Messejunge Georg Schweers, der auf diesem Schiff seinen 16. Geburtstag feierte.
Eine besonders traurige Aufgabe hatte der amerikanische Agent der „MELANIE SCHULTE“, die Firma LIKES: Sie musste die Post an die Besatzungsangehörigen als unzustellbar an die Reederei SCHULTE & BRUNS zurücksenden, nachdem feststand, dass das Schiff ihren Zielhafen niemals mehr erreichen würde. Vielen Betrachtern laufen beim Lesen dieses Schreibens die kalten Schauer über die Haut.
Auch die Emder Kaufmannschaft nahm Anteil am Unglück und bezeugte dieses durch halbmastflaggen an vielen Gebäuden im Emder Stadtgebiet.
Die Nachbehandlung
Das Seeamt in Hamburg kam am 23. April 1953 in seiner Seeamtsverhandlung zu der Erkenntnis, dass der Verlust der „MELANIE SCHULTE“ wohl nicht endgültig geklärt werden kann, weil es keine Zeugen des Unglückes gibt. Es sei aber zu vermuten, dass ein Zusammenhang zwischen der schlechten Wetterlage zum Unglückszeitpunkt und dem Beladungszustand des Schiffes als ursächlich anzusehen sind. Der Bericht der Seeamtsverhandlung umfasst ca. 80 Seiten. Eine Kopie liegt im Museum der „Freunde der Seefahrt“ und kann dort eingesehen werden.
Das Protokoll
Das Vorstandsmitglied des Vereins „Freunde der Seefahrt e.V:“ war bei der Reederei Schulte & Bruns als Personalsachbearbeiter beschäftigt. Seine Aufgabe war es, das Personal für das neue Schiff einzustellen. Zur Seeamtsverhandlung wurde er vom seinem Chef, dem Reeder Konsul Bernhard Schulte nach Hamburg beordert, um die Verhandlung mit zu stenografieren. Das Protokoll in Abschrift finden Sie nachstehend.
Protokoll der Seeamtsverhandlung MS MELANIE SCHULTE
Eine Reaktion
mein Name ist Felix Kimmerle und ich schreibe Sie mit folgendem Anliegen an:
Er hat erst kürzlich erfahren, dass in Ihrem Museum ein Rettungsring des Schiffes in einer kleinen Kapelle hängt. Nun ist er mit seinen fast 87 Jahren leider nicht mehr so mobil, dass für ihn ein Besuch der Kapelle quasi unmöglich ist. Trotzdem wollen wir als seine Enkel, ihm zu seinem Geburtstag am 22.8. ein besonderes Geschenk machen.
Er hat mich kürzlich darum gebeten, sollte ich einmal in der Nähe von Emden sein, bei der Kapelle vorbeizuschauen und ein Bild zu machen. Sozusagen als Andenken an seinen Bruder.
Da ich allerdings in Köln wohne und arbeite und in nächster Zeit wohl auch eher nicht die Zeit habe nach Emden zu fahren, wollte ich Sie fragen, ob es möglich wäre, dass Sie mir ein Bild von der Kapelle und dem Rettungsring zukommen lassen.
Wie ich Ihrer Internetseite entnehmen konnte, gibt es vom Seeamt Hamburg auch einen Abschlussbericht zum Unglück. Ich weiß nicht, ob Ihre Institution in der Hinsicht der richtige Ansprechpartner ist, aber wäre es möglich davon eine Kopie zu erhalten?
Vielleicht können Sie mir ansonsten einen möglichen Ansprechpartner nennen?
Für meinen Großvater wäre es sicherlich ein besonderes Geburtstaggeschenk ein paar Erinnerungen an seinen Bruder nach so langer Zeit zu erhalten.
Ich würde mich über eine Rückmeldung freuen und bedanke mich schon mal im voraus,
Mit besten Grüßen
Felix Kimmerle